Agadir - die Speicherburg

Im Gegensatz zum 24.7.17 haben wir heute bewusst eine Offroad-Strecke gewählt. Von Tafroute wollen wir über eine Bergkette nach Amtoudi fahren. Rund 122 Kilometer liegen vor uns. Vorerst auf asphaltierter Strasse, später nur noch auf loser Piste, fahren wir Richtung Süden. Brigitte ist heute die Navigatorin. Alle zur Verfügung stehenden Mittel wie Karte, Kompass, Tom-Tom und die Wegpunkt-Liste aus dem Offroad-Buch liegen bereit. Das Satellitentelefon ist eingeschaltet. Auch das Fahrzeug ist für die vor uns liegenden Strapazen gerüstet, d.h. vollgetankt, Öl, Wasser etc. gecheckt, Scheiben gereinigt. Trinkwasser und Lebensmittel reichen, um eine Woche zu überleben. Hört sich etwas übertrieben an, beruhigt uns aber ungemein. Bald schon liegt jegliche Zivilisation hinter uns. Der Geländegang (Übersetzung 1:3) ist zugeschaltet und das Differenzialgetriebe zwischen Vorder- und Hinterachse gesperrt. Während der Motor brav schnurrt, erklimmen wir Meter um Meter an Höhe. An Weggabelungen und Kreuzungen kontrollieren wir immer wieder unsere Position. Gegen Mittag erreichen wir die Passhöhe. Ein überwältigender Ausblick, sowohl vor als auch hinter uns eine phänomenale Weitsicht. Die karge Steinlandschaft hat ihren eigenen Reiz. Und diese Ruhe – alles einfach phantastisch. Kein Frage, der ideale Platz für eine Rast. Schnell sind die Campingstühle aufgestellt und eine kleine Mahlzeit (Thonsalat) bereit.

Auch den Rest der Strecke bewältigen wir ereignis- und problemlos. Nur ein aufgescheuchter Fuchs kreuzt einmal unseren Weg. Noch am frühen Nachmittag erreichen wir das kleine Dorf Amtoudi, das von einer, hoch oben auf einem Felsen thronenden, 800 Jahre alten Speicherburg (Speicherburg wird in Marokko „Agadir“ genannt) überragt wird. Wir parken auf einem verlassenen Campingplatz und nehmen sogleich die Dorfbesichtigung in Angriff. Unser Ziel ist natürlich die Speicherburg, die aber gemäss Reiseführer nur mit Guide besichtigt werden kann. Es ist heiss, marokkanische Siesta und die Strassen sind leer. Die erste einsame Seele der wir begegnen, fragen wir nach den Öffnungszeiten der Speicherburg. Hilfsbereit teilt er uns mit, dass nicht die Öffnungszeiten sondern ein Guide mit Schlüssel der Punkt sei. Und etwas erstaunt nimmt er zur Kenntnis, dass wir heute - und am liebsten sogleich - zur Besichtigung schreiten würden. Er holt sein Handy aus der Tasche, wählt und spricht offensichtlich mit dem Guide. Darauf zeigt er uns den Weg zur Speicherburg, begleitet uns sogar ein kurzes Stück und erklärt, der Guide sei unterwegs, wir würden ihn auf halbem Weg nach oben treffen. So war es dann auch. Ein älterer Mann, mit schwarzem Quftan (Kaftan) gekleidet und weissem Turban um den Kopf gewickelt, begrüsst uns auf halber Strecke. Er öffnet uns, oben angelangt, das Tor zur riesigen Anlage. In verwinkelten Gängen zeigt er uns die kleinen Kammern (Total 73), die früher den Familien des Dorfes als sicherer Aufbewahrungsort für Speisen und Wertgegenstände (alte Koranschriften – wovon noch einige zu sehen waren) gedient hatten. Gleichzeitig war die Speicherburg für die Dorfbewohner auch Zufluchtsort bei Angriffen von Feinden. Bienenstücke, Zisternen, Vorratskammern und Backöfen lassen vermuten, dass die Speicherburg damals für längere Belagerungen ausgerichtet war.

Die interessanten Einblicke in die geheimnisvolle Vergangenheit der Speicherburg, die prächtige Aussicht über das Dorf und das Tal sowie die Rückkehr durch einen Palmenhain und den alten Teil von Amtoudi runden den Tag angenehm und für uns zufrieden ab.

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