Vulkan Litli-Hrutur gibt uns die Ehre
Seit mehreren Tagen fahren wir nun durch das karge Hochland und durchqueren die Insel von Nord nach Süd. Die Fahrt ist anspruchsvoll, die Piste steinig und das Passieren der Lavafelder erfordert hohe Konzentration. Denn die Durchfahrten sind schmal, voller scharfkantiger Lavabrocken und endlos kurvig. Abwechslung bringen die Flussdurchquerungen, aber auch die sind teilweise tückisch. Bei einer der Tagesetappen brauchen wir für 100 km über zehn Stunden.
Am 7. Juli, 0915 Uhr, als wir noch mitten im Hochland weilen, am Fusse des Gletschers „Vatnajökull“, erreicht uns per SMS folgende Meldung der isländischen Strassensicherheitsbehörde:
July 2023: Reykjanes peninsula - earthquakes! Increased seismic activity in the Reykjanes peninsula. Stay away from mountains and slopes in the area due to danger of rockfall and landslides. A volcanic eruption might start with short notice.
Zum Glück befinden sind wir weit weg von der Halbinsel „Reykjanes“, die in der Nähe der Hauptstadt Reykjavik liegt. Somit besteht für uns keine direkte Gefahr durch Erdbeben oder Steinschlag. Und doch - es wäre natürlich ein Traum, einen aktiven Vulkan vor Ort zu besichtigen. Noch ist es aber nicht soweit - das mit dem Ausbruch. Somit setzen wir unsere Reise wie geplant fort. Die Warnmeldung wird mehrmals wiederholt, so auch am 10. Juli um 0918 Uhr, 1158 Uhr, und 1330 Uhr.
Dann um 1738 Uhr, wiederum per SMS diese Meldung:
Eruption in Reykjanes started! Eruption started north of Fagradalsfjall. Please stay away from the area while scientists and response units are evaluating the scene!
Auch diese SMS wird in der Folge mehrmals übermittelt.
Inzwischen haben wir das Hochland verlassen und die südliche Inselküste erreicht. Immer wieder informieren wir uns über den aktuellen Stand des Vulkanausbruchs. Am 11. Juli, 1509 Uhr entnehmen wir der Internetseite des isländischen TVs, das ein Journal in englischer Sprache zum aktuellen Geschehen in Reykjanes führt, dass der Weg zur Stelle des Vulkanausbruchs für die Öffentlichkeit freigegeben wurde. Wir entschliessen uns, noch am gleichen Abend in Richtung Reykjanes zu fahren und übernachten ca. 50 km davor auf einem Campingplatz.
Noch bis spät in die Nacht informieren wir uns in den verschiedenen Internetseiten über die Vorsichtsmassnahmen, die zu treffen sind und packen mehrere Flaschen Wasser, etwas Proviant, Kamera, Feldstecher und Satellitentelefon in den Rucksack.
Am Morgen des 12. Juli fahren wir nach Sudurstrandarvegur. Von weitem sehen wir die Rauchfahne, die aus den Bergen aufs Meer hinauszieht. Wir wählen den Parkplatz Nr. 2, der am nächsten zum Ausgangspunkt der Begehung liegt. Es gibt vier Parkplätze in unmittelbarer Nähe. Diese wurden eingerichtet, als bereits vor zwei Jahren, im gleichen Gebiet, ein Vulkanausbruch zu verzeichnen war. Der Andrang ist gross, der Parkplatz gut gefüllt. Es herrscht eine aufgekratzte Stimmung, nicht unbedingt hektisch aber emsig geschäftig. Wir machen uns auf den Weg. Er ist nicht zu verfehlen, einfach der Menschenmasse nach. Später lesen wir, dass an diesem Vormittag bereits ca. 3000 Personen den Krater besucht haben. Ganze zehn Kilometer liegen vor uns. Der Weg ist nicht sonderlich steil, anfangs gut begehbar, dann, ab der Hälfte, mit schroffen Steinen gespickt. Auf den letzten beiden Kilometern fehlt der Weg gänzlich, es geht querbeet, über ein moosbedecktes altes Lavafeld. Immer wieder, je nach Windstärke und -richtung streifen uns Rauchschwaden. Dann, endlich auf der Höhe des Kraters angekommen, geniessen wir den ergreifenden Anblick dieses Naturschauspiels. Manchmal sanft und leise, dann bedrohlich grollend und zischend, dann wieder sprudelnd und gurgelnd springt die rote, glühend heisse Lava aus der entstandenen Erdspalte. Ein weiteres grandioses Naturerlebnis, das wir auf Island erleben durften.