Unterwegs auf Pisten

Von den Westfjorden bewegen wir uns weiter zur Nordküste Islands. Meist folgen wir, dort wo eine Strasse vorhanden ist, der Küste. Bei Akureyri, es ist die viertgrösste Stadt Islands und Sammelpunkt für viele grosse Kreuzfahrtschiffe, entschliessen wir uns zu einem kurzen Abstecher ins Landesinnere, dem isländischen Hochland. Zugänglich ist es nur über sogenannte „F“-Strassen (z.B. F821). Keine Strassen im herkömmlichen Sinne, es sind Pisten, die nur für Fahrten mit 4x4 Fahrzeugen mit erhöhter Bodenfreiheit geeignet sind. Über den Strassenzustand informiert uns die App www.road.is. Sie gibt Auskunft über offene und gesperrte Strassen und mit welchem Wetter zu rechnen ist. Von Akureyri bis Laugafell, unserem Ziel, sind es 86 km, davon die Hälfte auf unbefestigter Strasse. Die Pisten halten meist grössere oder kleinere Hindernisse bereit. Grundsätzlich sind sie (die Pisten) nur so breit wie ein Fahrzeug. Das Kreuzen mit den - zum Glück nur spärlich - entgegenkommenden Fahrzeugen, ist oftmals eine Herausforderung und stets mit Millimeterarbeit verbunden (Rückspiegel einklappen inklusive). Meist ist es aber auch eine gute Gelegenheit für Smalltalk mit dem Fahrer zum Zustand der Piste und über das Woher und Wohin.                                                             

Hin und wieder ergeben sich auch Begegnungen der besonderen Art. Wir sehen sie von weitem kommen und halten an, um sie nicht in der Staub- und Sandwolke, die wir hinter unserem Fahrzeug herziehen, zu ersticken. Auf unserer Höhe angekommen hält sie an. Eine einsame Radfahrerin. Sie ist aus Schweden. Sie will vom nördlichsten Punkt Islands zum südlichsten. Quer durch das Hochland. Mit dem Fahrrad. Alleine. Sie fragt uns nach dem Zustand der Piste und nach Gelegenheiten Wasser zu trinken. Sie will abends irgendwo ihr Zelt an einem windgeschützten Ort aufschlagen. Mitten in dieser Vulkan- und Steinwüste. Einerseits bewundere ich ihren Mut, aber andererseits ……..? Egal. Wir offerieren ihr eine Flasche Wasser, die sie dankend entgegennimmt. Ebenso mit Freude nimmt sie eine Büchse Cola, eine Büchse Bier und einen Apfel. Wir wünschen ihr eine gute Fahrt - und viel Glück.

Zu einer Piste gehören auch Schlaglöcher. Von denen gibt es jeweils unzählige. In allen Grössen und Formen. Und sie warten jeweils dort, wo man sie nicht erwartet. Sie sind auf der Piste so verteilt, dass ein Ausweichen selten gelingt. Ein reduzierter Luftdruck in den Reifen, eine vorausschauende Fahrweise und eine gemässigte Geschwindigkeit erhöhen zwar den Fahrkomfort. Vor unvorhergesehenen Schlägen ist man trotzdem nicht gefeit. Steigungen im Bereich von 20-30%, von denen es immer wieder welche gibt, sind für unser Fahrzeug mit seinen grossen Untersetzungen kein Problem. Der Motor surrt verlässlich, wenn auch etwas laut. Mehr Respekt zollen wir, aufgrund der Fahrzeughöhe, den seitlichen Schrägen. Mit halbem Schritttempo, einem beklemmenden Gefühl im Magen und eingekrallten Zehennägeln durchfahren wir jeweils die Passagen. Ein Kippen mit dem Fahrzeug wäre natürlich ein Super-Gau. Und schliesslich führen die Pisten immer wieder durch Furten, Bäche und kleine Flüsse.

Belohnt für die „Strapazen“ werden wir durch die Natur. Sie gibt uns mit ihren Bergen, Gletschern, Mondlandschaften, Kratern, den Bächen und kleinen Seen wunderbare Einblicke in ihre Schönheit. Wir geniessen die Stille und Einsamkeit, ohne uns allein zu fühlen.

In Laugafell, in unmittelbarer Nähe des Gletschers Hofsjökull, auf knapp 1000 Meter über Meer übernachten wir. Das dortige Haus und die Umgebung erinnern an SAC-Hütten in den Alpen. Die Landschaft, Temperatur, der Wind und das Wetter sind entsprechend. Dafür aber es hat einen „Hot-Pot“, ein durch eine heisse Quelle gespeistes natürliches Becken. Klar, lassen wir uns das dampfende Bad nach der anspruchsvollen Fahrt nicht nehmen.

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