Hindernislauf

Auf der App „VesselFinder“ haben wir seit Tagen die Position unseres Schiffs beobachtet und nun ist endlich Weihnachten :-). Unser Fahrzeug ist angekommen und kann abgeholt werden. Der ganze Prozess des Abholens entwickelt sich jedoch zu einem veritablen Hindernislauf. Die notwenigen Papiere für den Zoll erhalten wir ab 0800 Uhr vom Spediteur in einem Hotel am Stadtrand von Halifax. Wir sind aber nicht die einzigen. Gegen zwanzig weitere Camper warten auf ihr Fahrzeug. Die Stimmung ist etwas gereizt. Alle sind betroffen von der gut zweiwöchigen Verspätung des Schiffes. Zudem ist Freitag und der Hafen schliesst um 1600 Uhr. Wer bis dann sein Fahrzeug nicht ausgelöst hat, wartet bis Montag. In einem Konferenzsaal des Hotels übergibt uns eine Vertreterin des Spediteurs drei A4 Blätter. Zwei davon für den Zoll, das dritte für die Hafenbehörde. Auf keinen Fall das dritte Blatt beim Zoll abgeben, mahnt uns die Dame. Ansonsten würden wir unser Fahrzeug nie erhalten. Weiter kontrolliert sie, ob die 150.-- Dollar Abholungsgebühren bezahlt worden sind. Alles eine Sache von fünf Minuten. Danach ist jeder auf sich alleine gestellt. Die Zollstelle ist drei Kilometer entfernt. Zu Fuss - zu weit. ÖV - nicht vorhanden. Vor dem Hotel lädt ein Taxifahrer einen Fahrgast aus. Den schnappe ich mir sogleich (den Taxifahrer), hole Brigitte aus der Hotelhalle, frage einen jüngeren Schweizer, ob er mitfahren wolle (Landsleute halten ja schliesslich zusammen) und zwei Minuten später sind wir unterwegs zum Zoll. Es ist ein unscheinbares Bürogebäude mitten im Nirgendwo. Wir weisen dem Taxifahrer den Weg. Unser Mitfahrer bezahlt das Taxi. Der Schalter befindet sich gleich im Erdgeschoss. Wir sind jedoch nicht die ersten und nicht die einzigen. Angestanden wird draussen. Covid scheint beim Zoll noch sehr akut. Es herrscht Maskenpflicht. Nach etwa zwanzig Minuten sind war an der Reihe. Der junge Zollbeamte kontrolliert den Reisepass, den Fahrzeugausweis, das Papier des Spediteurs, füttert den Computer mit unseren Daten, stempelt die Papiere und fragt, ob wir Alkohol, Drogen oder Waffen in unserem Fahrzeug mitführen würden (was für eine Frage!). Nach fünf Minuten sind wir wieder draussen. Die Kolonne vor dem Gebäude ist bereits beträchtlich angewachsen. Nun gilt es, so schnell wie möglich zum Hafengelände zu gelangen. Keine Chance, ein Taxi zu rufen. Aber Uber sei Dank, acht Minuten später sollte er hier sein. Aber auch er findet das Gebäude nicht. Er wartet unten an der Strasse und ist offensichtlich etwas verärgert. Das Trinkgeld wird minim ausfallen. Wir nehmen den Schweizer wider mit. Der Uber geht auf meine Rechnung und so sind wir zwanzig Minuten später am Frachthafen. Ein riesiges Gelände. Nirgends eine Beschriftung. Wir fragen uns durch und werden zu einem kleinen Hüttchen, der Hafensecurity, gewiesen. Pass und Papiere werden kontrolliert. Wir erhalten einen Besucher-Badge. Hier scheinen die Prioritäten anders zu liegen. Man trägt keine Masken aber eine Warnweste ist Pflicht. Ein Hafenmitarbeiter begleitet uns. Zeitlich läuft alles super. Dann stehen wir vor einem Betriebsgeleise. Die Ampel blinkt rot, ein eindringliches „Bimbam“ warnt die Wartenden und ein Güterzug versperrt uns den Weg. In halbem Schritttempo schiebt er Güterwagen vor unserer Nase hin und her, während das laute, nervende Bimbam unaufhörlich unser Trommelfell malträtiert. Keine gefühlten, sondern effektive 30 Minuten lang bewegen sich vor unseren Augen die containerbeladenen Güterwagen von links nach rechts und wieder zurück. Bimbam, bimbam. Offensichtlich sind wir Zeugen, wie einer dieser endlos langen Güterzüge zusammengestellt wird, der dann durch die endlosen Weiten Kanadas endlos viele Güter transportiert, die im Hafen von Halifax abgeladen wurden. Schön, durften wir auch das erleben. Das Bimbam klingt noch stundenlang nach. Der Hafenmitarbeiter führt uns zwischen den meterhohen Containerstapeln zur Hafenbehörde. Gegen eine weitere Gebühr von 50.-- Dollar erhalten wir einen Stempel auf unser Papier und somit die endgültige Genehmigung, das Fahrzeug aus dem Hafen zu fahren. Niemand kontrolliert das Fahrzeug. Weder was im Fahrzeug mitgebracht wird, noch das Fahrzeug selbst. Ob und was für ein Kontrollschild am Fahrzeug angebracht ist, interessiert genau so wenig wie der Umstand, ob eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen wurde. Egal, wir sind glücklich, wir haben unser Fahrzeug und es ist unbeschädigt. Kanada kann kommen.

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