Ein freundlicher Pope

Maxim heisst der Pope. Ein Pope zum  Anfassen. Volksnah, offen  und neugierig. Gemäss Wikipedia ist Pope eine veraltete, umgangssprachliche Bezeichnung für einen orthodoxen Priester. Was er mit unserer Reise zu tun hat? Nun - alles der Reihe nach.

Auf dem Weg von Omsk nach Novosibirsk – immerhin gut 900 Km – legen wir einen Zwischenstopp in Kargat ein. Ein kleines verschlafenes Dorf, etwas abseits der Fernstrasse. Die Fahrbahn asphaltiert, aber eigentlich doch nicht, denn die Schlaglöcher sind in der Überzahl. Viele der kleinen Holzhäuser entlang der Strasse stehen schief und empfangen uns ohne Charme. Zwei kleine Einkaufsläden, ein Gemüsehändler, eine Bäckerei. Alles entlang der Hauptstrasse. Auch eine Schule steht da, etwas traurig und verloren. Sie hat bestimmt schon bessere Zeiten erlebt. Aber auch die waren kaum gut. Der Verkehr spärlich, langsam und im Zickzack (wegen der Schlaglöcher). Die im Navi einprogrammierten Koordinaten führen uns zur Kirche. Dort ist unser Stellplatz für die Nacht. Die Kirche hätten wir auch ohne Navi gefunden. Unübersehbar protzt sie mit ihren goldenen Kuppeln. Prunkvoll steht der weisse Neubau nahe der Hauptstrasse. Aufgeräumt, gepflegt – ein augenfälliger Kontrast zum Rest des Dorfes. Kaum haben wir unsere Fahrzeuge entlang der Kirchenmauer abgestellt, beginnen oben im offenen Glockenturm die Glocken zu läuten. Es ist kein automatisches Glockenspiel. Ein Mann steht oben und zieht an Seilen und drückt auf Pedale. Eine wohlklingende Melodie beschallt mehrere Minuten das ganze Dorf. Kurze Zeit später steht er plötzlich vor uns. Der Mann aus dem Glockenturm. Ein Bär von einem Mann. Mit brauner Kutte gekleidet und mit einem Bart wie Rasputin. Die Goldkette um seinen Hals glitzert mit denKuppeln der Kirche im Hintergrund um die Wette. Sympathisch heisst er uns auf dem Gelände der Kirche willkommen. Der Reiseleiter übersetzt. Die Kirche sei erst vor ein paar Jahren erbaut worden. Alles neu, alles aus Spendengeldern. Wer gespendet hat bleibt unklar. Überhaupt seien sie auf Spenden angewiesen, fügt er an. Wer Lust habe, könne mit ihm in den Glockenturm steigen. Man habe den Überblick über das Dorf. Wer wolle, könne sich auch als Glöckner versuchen. Wenige Minuten und ein paar steile Treppen später stehen wir oben. Stimmt - der Überblick über die armseligen Häuser des Dorfes ist erhaben schön. Einige von uns ziehen an den Strippen und treten die Pedale. Die Glocken bimmeln. Ob sich die Dorfbewohner freuen?

Die Zeit drängt. Geplant ist ein gemeinsames Abendessen in einem Restaurant an der Fernstrasse. Ein Bus bringt uns hin. Wohl ein alter Schulbus aus alten Zeiten. So auch der Fahrer. Über ihm an der Windschutzscheibe aufgeklebt vergilbte Bilder. Eines davon zeigt Stalin.

Beim Abendessen dann, die Vorspeise ist serviert, steht er im Raum – Maxim. Auch ohne Einladung wird er von uns herzlich und mit Applaus empfangen, schnell ist ein Platz in unserer Runde gefunden. Zwischen Vor- und Hauptspeise unterhält uns eine Sängerin mit Liedern aus aller Welt. Das gefällt ihm, dem Mann mit dem Vollbart – singt mit, trinkt mit und lacht mit uns.

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