Django Unchained

Vom Onguma National Park fahren wir weiter östlich mit Ziel Kaudum Park. Ein langer Weg liegt vor uns. Wir planen in einer Lodge an der Strecke zu übernachten und entscheiden uns für … nennen wir sie doch einfach „Uwe’s Lodge“. Gut ausgeschildert geht es ca. einen Kilometer auf einer Sandpiste von der Hauptstrasse weg. Gut versteckt hinter Bäumen, Sträucher und Büschen erwartet uns eine, auf den ersten Blick saubere und gepflegte Unterkunft. Bereits am Eingang stehen unzählige alte, Requisiten aus der Mitte des vergangenen Jahrhunderts. Komplett mit Rost überzogene Frontteile von Fahrzeugen, die Kühlerhauben wie ein hungriges Maul weit geöffnet, daraus ragen Blumen und Kakteen, teilweise frisch, teilweise vertrocknet. Der Ausguss einer alten Badewanne, die schräg über der Kopfseite des Pools thront, dient als Einlass für das Wasser. Alles irgendwie zwischen künstlerischer Installation und Schrottplatz. An den Wänden der offenen Bar hängen Fotos in Schwarzweiss, zeigen Menschen aus früheren Zeiten und wollen uns Geschichten erzählen, die keiner mehr kennt. Menschen mit Geschichten, die wohl im Zusammenhang mit den vielen Jagdtrophäen stehen, die zwischen den Bildern unschuldig von der Wand schauen. Die Zeit steht still. Die Bar geht nahtlos in die Rezeption über. Dort steht eine Frau,  Ende 50, in Namibia eingewandert oder auch hier geboren, empfängt uns gleichgültig freundlich. Bis zu unserer Abreise am nächsten Tag sollte sie sich nicht von ihrem Platz zu bewegen. Von dort hat sie alles im Blickfeld. Sie scheint die Chefin zu sein. So benimmt sie sich zumindest gegenüber den zahlreichen Angestellten. Befehl hier, Befehl da.

Entgegen des ersten Eindrucks einer gepflegten Anlage war bald festzustellen, dass die mit Requisiten überladene Lodge an allen Ecken und Enden gepflegt werden sollte. Vieles scheint aus der Zeit gefallen zu sein. Irgendwie beklemmend, die Atmosphäre. Der Song „Hotel California“ von den Eagles geht mir durch den Kopf „…you can checkout anytime you like but you can never leave…“. Die Zimmer sind ok, nett hergerichtet, das Moskitonetz in der Mitte des Bettes drapiert, darunter versteckt die Handtücher. Das Badezimmer kalt und finster, der Brausekopf der Dusche erinnert mich an irgendeinen Film aus dem Zeiten Weltkrieg.

Die lokalen Angestellten, allesamt in Uniformen und Häubchen, sind zu den Gästen zwar freundlich und zuvorkommend aber auch schüchtern und darauf bedacht, keine Fehler zu machen. Zu jeder Frage oder jeder Handreiche folgt gegenüber dem Gast ein kleiner Höflichkeitsknicks; und sie scheinen einen Höllenrespekt vor der Chefin zu haben. Diese macht sich auch immer wieder von ihrer Rezeptionskanzel mit Anweisungen und Korrekturen gegenüber ihren Angestellten bemerkbar, worauf diese mit einem unterwürfigen „Yes Mme“ und leicht nervös reagieren. Ist die Zeit wirklich nur stehen geblieben oder sogar rückwärts getickt?

Die wenigen Stunden in „Uwe’s Lodge“ bleiben mir prägend in Erinnerung und ich bin froh, am nächsten Morgen unbeschadet den Kilometer zurück auf die Hauptstrasse und aus dieser Zeitreise hinaus, gefunden zu haben. Die Zeit, in der Qentin Tarantino‘s Film „Django Unchained“ spielt, scheint noch immer nicht ganz überwunden zu sein. Schade, eigentlich ein schöner Ort in der Wildnis, mit viel Ruhe und Natur.

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