Bodø - Trondheim - Røros

Wer um diese Jahreszeit von den Lofoten mit der Fähre aufs norwegische Festland zurückkehrt, hat bei seiner Ankunft in Bodø fürs Erste das Gefühl, zurück in der Zivilisation zu sein. Strassenverkehr, Ampeln, Geschäfte und Restaurants, die geöffnet haben – und Menschen auf der Strasse. Das tut gut, nach so viel Natur pur. Zudem leisten wir uns in Bodø zwei Tage Ferien. Ja – richtig gelesen! Ferien. Eine Auszeit von der Auszeit. Zwei Nächte in einem Hotel, direkt am Hafen haben wir uns gegönnt. Gut, es gab natürlich auch einen besonderen Grund. Wir haben Brigittes Geburtstag gefeiert. Einen Runden zudem.

Zwei Tage später fahren wir ausgeruht und gestärkt weiter Richtung Süden. Kurz nach Bodø besuchen wir Saltstraumen den stärksten Gezeitenstrom der Welt.

„Durch einen 2,5 Kilometer langen und etwa 150 Meter breiten Sund strömen im Wechsel der Gezeiten fast 400 Millionen Kubikmeter Wasser zwischen dem Yttre (äußeren) Saltfjord und dem Skjerstadfjord (auch „Innerer Saltfjord“) hin und her. Der Strom erreicht dabei Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h, und es entstehen gewaltige Strudel. Sie können einen Durchmesser bis zu zehn Metern erreichen und mehr als vier Meter in die Tiefe reichen. Lediglich bei Stillwasser, also beim Höchst- und Tiefststand, tritt für kurze Zeit Ruhe ein.“ (Quelle: Wikipedia)

Weiter südlich überqueren wir - kurz vor „Mo I Rana“ - ein zweites Mal – diesmal südwärts – den Polarkreis. Im Gegensatz zu Rovaniemi in Finnland scheint hier in Norwegen der Polarkreis eher unwichtig zu sein. Nur ein grosser, leerer Parkplatz, eine Gedenktafel und ein geschlossenes Besucherzentrum erinnern daran.

Kurz vor „Mo I Rana“ biegen wir rechts ab und fahren auf einer unbefestigten Strasse für ca. 25 km in Richtung des Saltfjellet-Svartisen Gletschers. Unser Ziel sind die Marmorslottet–Gletschermühlen. Am Ende der Strasse, auf einem kleinen Parkplatz stellen wir das Fahrzeug ab und ziehen uns die Wanderschuhe an. Mit der Erfahrung von früheren Wanderungen in Norwegen eine wohlweisliche Vorsichtsmassnahme. Bevor wir uns auf den Weg machen, begegnet uns eine Frau, die aufgeregt und eilenden Schrittes zu ihrem Auto schreitet. Hektisch spricht sie uns an und erklärt in gebrochenem Englisch, dass sie ihre Kollegin da oben, in der Nähe der Gletschermühlen, etwa 20 Minuten Gehminuten von hier, mit einem gebrochenen Fuss alleine zurückgelassen habe. Sie habe keinen Handy-Empfang und fahre deshalb mit dem Auto talwärts um Hilfe zu organisieren. Klar bieten wir unsererseits Hilfe an, packen eine Decke, heissen Tee sowie den Verbandskasten in den Rucksack und machen uns auf den Weg zur verunglückten Frau. Nach einer Viertelstunde gehetzten Aufstiegs erreichen wir die Unglücksstelle. Die Frau sitzt auf einem Holzstamm, sieht etwas bleich aus, ist aber wohlauf und guten Mutes. Lebensrettende Sofortmassnahmen sind keine notwendig und so verkürzen wir ihr mit Smaltalk die Wartezeit, bis die gerufenen Helfer eintreffen. Alsdann machen wir uns auf den weiteren Weg zu den Gletschermühlen. Ein kurzes Stück nur, das es aber in sich hat. Glitschig und teilweise vereist führt der Weg hinab zum tosenden Bach - Wanderschuh sei Dank. Ich hoffe, die geposteten Bilder geben wenigstens teilweise wider, welch grandiose Kunstwerke die Natur hier geschaffenen hat. Nach rund zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg. Gleichzeitig als wir die Unglücksstelle passieren trifft der Rettungshelikopter ein, um die verunglückte Frau aus dem unwegsamen Gelände zu bergen.  

Inspiriert von Bildern und Berichten einer Touristeninformation entschliessen wir uns - vor der Weiterfahrt in Richtung Schweden - zu einem Abstecher auf den Aussichtspunkt Dalsnibba und die Fahrt über die Trollstiegveien Passstrasse. Insofern ein etwas riskantes Vorhaben, denn es ist bereits Mitte Oktober und an jeder Ecke montiert irgendein Norweger die Spikesreifen auf sein Fahrzeug. Ein untrügliches Zeichen, dass hier bald der Winter mit Schnee und Eis Einzug hält. Zum Glück ist für die nächsten Tag schönes Wetter angesagt. Das sagen zumindest die verschiedenen Wetterapps, die wir konsultieren. Das schöne Wetter mit wolkenlosem Himmel und strahlender Sonne erhalten wir dann auch prompt, werden aber mit bitterkalten Temperaturen gestraft. Während zweier Tage bleibt das Thermometer immer unter minus fünf Grad und den Rekord erfahren wir mittags um zwölf auf einem schattigen Strassenabschnitt mit minus zehn Grad. 

Zügig, in Tagesetappen von zwei- bis dreihundert Kilometern, fahren wir nun östlich Richtung Schweden. In Røros halten wir ein letztes Mal auf norwegischem Boden. Wir besichtigen die Kupferminen, die 1972 stillgelegt wurden und heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören. Interessant und eindrucksvoll, mit welchen Mitteln noch bis vor ein paar Jahrzehnten gearbeitet wurde. Beängstigend und erschreckend aber auch, welchen Raubbau an der Natur betrieben wurde.

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